Hinter der Zukunft – Leseprobe 2

Täglich lauschen die Menschen morgens um 8.00 und abends um 18.00 ihrer Klimakanzlerin, wenn sie zum Pray-for-the Planet spricht. Alle Fahrzeuge bleiben stehen, alle Tätigkeiten ruhen, jede und jeder steht oder sitzt vor einem Bildschirm. Den anfang macht stets die Hymne an den Planeten, eine Abwandlung von „Freude schöner Götterfunken“.
In diesem Ausschnitt beschäftigt sich Milena Grosse-Strümpel, die Kanzlerin, mit einer menschlichen Eigenschaft, die überraschenderweise sehr positiv sein kann…

Taschenbuch Hinter der Zukunft

Pray-for-the-Planet

«Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, keine Schuld! Ich wünsche einen schönen Sonntag, der Frühling kündigt sich an, die Tage werden länger. Deshalb möchte ich heute von Hass sprechen.

Denn es gibt einen Hass, der nicht spaltet, sondern versöhnt. Einen Hass, der Gutes bewirkt, der für Entwicklung und Wachstum sorgt. Der sich nicht gegen andere richtet, niemanden verurteilt. Nur sich selbst. Es ist eine gute Kraft, die in jedem von uns zu Hause ist: Es ist der Hass auf uns selbst. Er bewirkt ein ständiges Besserwerden, ein Hinterfragen von allem, ein Niemals-zufrieden-sein. Der Selbsthass gehört zu jedem guten Menschen dazu, denn wie sollte man ohne ihn auskommen können, wenn Klima und Planet dahinsiechen? Jeder von uns ist ein Sünder und nur durch lebenslange Buße können wir uns ein wenig reinigen.

Dieser Hass auf unser sündiges Wesen, auf unsere Schwächen und Zweifel, auf unsere unauslöschliche Schuld ist die Energie für weiteres Wachstum. Ohne ihn würden wir wieder in den Zustand von selbstgefälligen Egoisten zurückfallen, die Erhitzung des Klimas weiter beschleunigen. Vor etwa 500 Jahren hatte ein Mann namens Luther – die Älteren mögen schon von ihm gehört haben – gewusst, dass das ganze Leben Buße sein solle. Doch dieses Wissen ist im hemmungslosen Materialismus und Egoismus verloren gegangen. Er hatte damals den Menschen schon prophezeit, dass das Ende bald nahen würde, und heute sind wir genau an diesem Punkt. Das Ende ist greifbar nah, die Vernichtung allen Lebens, des Klimas und des Planeten ist durch unsere Sünden nur noch einen kleinen Schritt entfernt.

Aber es besteht Hoffnung! Wie vor hunderten von Jahren dieser Prophet Luther geweissagt hatte, liegt es an uns selbst, das Ende abzuwenden. Arbeit und Buße sind die Wege, die zur Rettung führen. Zur Rettung des Planeten und ebenfalls – wenn alle Taten wirklich in rechter Gesinnung getan werden – zur Rettung der eigenen Seele. Denn auch wenn die ganze Schuld niemals getilgt werden kann, so spürt das Klima sehr wohl, wer seine Freundin und wer sein Feind ist.

Darum pflegt euren Selbsthass, denn er kommt, um euch beizustehen in diesen schweren Zeiten. Er ist euer Freund, euer treuer Begleiter, euer stets schlechtes Gewissen. Ignoriert ihn nicht, bekämpft ihn nicht, verachtet ihn nicht. Er ist euer Tor zur Erlösung.

Und damit wünsche ich euch allen einen rettungsvollen Sonntag. Gutes Gewissen!»

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